II. VORSORGE-AUFTRAG & PATIENTEN-VERFÜGUNG

Zwei Massnahmen, welche rechtzeitig in Angriff zu nehmen sind!

Maria Schwieters
Rechtsanwältin & Notarin

Kathrin Feusi-Biedermann
Rechtsanwältin & Notarin

Einleitung

Wenn im Herbst die Temperaturen langsam sinken und der Winter vor der Tür steht, denken die einen ans Skifahren, andere an den Reifenwechsel oder gar an Glatteis. Der Winter birgt viele Risiken. Was passiert, wenn Sie in Folge eines Skiunfalls – siehe das prominente Beispiel Michael Schuhmacher – oder Autounfalls nicht mehr in der Lage sind, selber über Ihre Gesundheit und Ihr Vermögen zu entscheiden? Sei es, weil Sie nicht mehr bei Bewusstsein sind oder dieses zwar noch besitzen aber die Konsequenzen Ihrer Entscheidungen nicht mehr absehen können, sprich urteilsunfähig werden.

Solche Szenarien sind im Erwachsenenschutzrecht geregelt, wobei der Grundsatz gilt: Wer vorgängig selber nichts bestimmt, überlässt die Entscheidung letzten Endes der Erwachsenenschutzbehörde (KESB). Beim neuen Erwachsenenschutzrecht spielt das Selbstbestimmungsprinzip eine wichtige Rolle: Jede erwachsene Person kann im Hinblick auf eine allfällige Urteilsunfähigkeit selber im Voraus bestimmen, wer in diesem Fall ihre Interessen wahrnehmen soll und wie dies zu geschehen hat. Diese Vorsorge kann durch Errichtung eines Vorsorgeauftrags und durch Errichtung einer Patientenverfügung geschehen.

Was ist ein Vorsorgeauftrag?

Wer urteilsfähig und volljährig ist, kann mit einem Vorsorgeauftrag eine Person seines Vertrauens beauftragen, für ihn zu handeln, sobald er selber urteils- und damit handlungsunfähig geworden ist. Üblicherweise wird eine nahestehende Person damit beauftragt. Auch eine juristische Person, eine Institution oder ein Anwalt bzw. eine Anwältin kann beauftragt werden. Für den Fall, dass die beauftragte Person den Auftrag nicht annimmt, kündigt oder anderweitig nicht ausführen kann, empfiehlt es sich zusätzlich eine Ersatzperson zu bezeichnen.

Der Vorsorgeauftrag kann umfassend sein und die persönliche Sorge, die Vermögenssorge sowie die rechtlichen Belange abdecken. Es ist aber auch möglich, den Auftrag auf bestimmte Bereiche und/oder Geschäfte zu beschränken. Es können sogar konkrete Handlungsanweisungen mit dem Auftrag verbunden werden.

Wirksamkeit des Vorsorgeauftrags

Der Vorsorgeauftrag entfaltet seine Wirkung erst dann, wenn eine Urteilsunfähigkeit von einer gewissen Dauer eingetreten ist, welche eine Vertretung der urteilsunfähigen Person nötig macht. Erlangt diese ihre Urteilsfähigkeit wieder zurück, so erlischt der Vorsorgeauftrag automatisch, kann aber bei einer späteren erneuten Urteilsunfähigkeit wieder aufleben.

Formelle Anforderungen

Ein gültiger Vorsorgeauftrag hat zahlreiche formelle Anforderungen zu erfüllen. Ferner gilt es, je nach Vermögenslage und Vermögensstruktur, eine Vielzahl von juristischen Fragen zu klären. Es empfiehlt sich daher, sich bei Ihrem Anwalt bzw. Ihrer Anwältin, informieren zu lassen. Gerne beraten wir Sie diesbezüglich und stellen Ihnen auch die nötigen Dokumente zur Verfügung.

Widerruf oder Änderung

Entspricht der Inhalt des Vorsorgeauftrags nicht mehr Ihrem Willen oder möchten Sie Ergänzungen anbringen, können Sie den Vorsorgeauftrag jederzeit widerrufen, abändern oder komplett ersetzen. Hingegen sind keine Anpassungen bzw. Aufhebungen mehr möglich, wenn die Urteilsunfähigkeit bereits eingetreten ist.

Was ist eine Patientenverfügung?

Mit einer Patientenverfügung kann eine Person im Hinblick auf eine allfällige Urteilsunfähigkeit selbst festlegen, welche medizinischen Behandlungen sie in einer bestimmten Situation wünscht. Sie kann auch festlegen, dass eine bestimmte Person Ihres Vertrauens im Falle Ihrer Urteilsunfähigkeit mit den behandelnden Ärzten die möglichen medizinischen Massnahmen bespricht und dann in Ihrem Namen entscheidet. Gegenüber dieser Vertrauensperson und insbesondere gegenüber den Ärzten bzw. dem Pflegepersonal können Weisungen erteilt und Wünsche formuliert werden. Wie beim Vorsorgeauftrag empfiehlt es sich auch hier, eine Ersatzperson zu bezeichnen. In jedem Fall raten wir, vor Errichtung einer Patientenverfügung zu klären, ob eine Vertrauensperson bereit ist, einen solchen Auftrag anzunehmen und zu erfüllen, denn die Vertrauensperson hat schlimmstenfalls über Leben und Tod zu entscheiden.

Wie verbindlich ist eine Patientenverfügung?

Ist eine Person urteilsunfähig geworden und muss ein Entscheid über medizinische Massnahmen getroffen werden, sind Ärzte und Ärztinnen verpflichtet abzuklären, ob eine Patientenverfügung vorliegt. Von dieser Abklärung darf nur in dringenden Notfällen abgesehen werden, in denen sofort gehandelt werden muss.

Liegt eine Patientenverfügung vor, müssen Ärzte und Ärztinnen grundsätzlich dem darin geäusserten Willen entsprechen. Von diesem darf nur ausnahmsweise abgewichen werden, wenn ernsthafte und begründete Zweifel daran bestehen, ob die Patientenverfügung dem freien und mutmasslichen Willen des Patienten oder der Patientin entspricht.

Widerruf oder Änderung

Je aktueller eine Patientenverfügung ist, umso weniger wird daran gezweifelt, dass sie noch dem mutmasslichen Willen des Patienten entspricht. Eine Patientenverfügung sollte daher von Zeit zu Zeit überprüft, neu datiert und unterzeichnet werden. Sollte die Patientenverfügung nicht mehr Ihrem Willen entsprechen, können Sie diese jederzeit widerrufen, anpassen oder vollständig ersetzen. Es empfiehlt sich, den Hinterlegungsort der Patientenverfügung auf der elektronischen Krankenkassenkarte eintragen zu lassen.

Abschliessende Anmerkungen

Sowohl bei der Patientenverfügung als auch beim Vorsorgeauftrag ist eine sachkundige Beratung angezeigt. Insbesondere beim Vorsorgeauftrag gilt es ein Bündel von rechtlichen Fragestellungen zu regeln, um potentielle Streitigkeiten zu vermeiden. Diese können namentlich dann entstehen, wenn kein Vorsorgeauftrag besteht und die Erwachsenenschutzbehörde (KESB) entscheiden muss oder wenn eine Person mit der Ausführung eines unpräzise formulierten Vorsorgeauftrags beauftragt wird. Fehlt eine detaillierte Regelung, so kann dies zu einem Nährboden für künftige Streitigkeiten zwischen Angehörigen führen. Dies gilt es zu vermeiden – nicht zuletzt auch dem Familienfrieden zu liebe.

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