XIX. AUFHEBUNGSVEREINBARUNGEN IM ARBEITSRECHT

TRENNUNG LEICHT GEMACHT

Dominik Kumschick
Fachanwalt SAV Arbeitsrecht

Maria-Elena Nappi
Juristin (MLaw) & Mediatorin (FH)

EINLEITUNG

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein Arbeitsverhältnis aufzulösen. Häufigster Grund für die Beendigung der Zusammenarbeit dürfte in der Praxis die (ordentliche oder ausserordentliche) Kündigung des Arbeitsvertrags durch eine der Vertragsparteien sein. Gemäss den einschlägigen Bestimmungen des Obligationenrechts werden Arbeitsverhältnisse aber auch schlicht durch Ablauf der vereinbarten Dauer, Tod des Arbeitnehmers oder durch Aufhebung aufgrund gegenseitiger Übereinkunft aufgelöst. Nachfolgend sollen die Voraussetzungen sowie die Möglichkeiten und Tücken dieser zuletzt genannten, einvernehmlichen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses durchleuchtet werden.

GRÜNDE FÜR DIE EINVERNEHMLICHE AUFLÖSUNG

Mangels Grund für eine fristlose Auflösung des laufenden Arbeitsverhältnisses sind Mitarbeitende wie Arbeitgebende im Hinblick auf dessen Beendigung entweder an die vereinbarten oder gesetzlichen Kündigungsfristen gebunden oder sie müssen den vereinbarten Ablauf des Arbeitsverhältnisses abwarten (befristete Arbeitsverhältnisse können mangels anderer Vereinbarung nicht gekündigt werden). Hat nun ein Mitarbeitender bereits eine neue Anstellung mit gewünschtem Arbeitsbeginn vor Ablauf der Kündigungsfrist in Aussicht, kann für ihn die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses wünschenswert sein.

Für die Arbeitgebende wird durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses dagegen die Planungssicher-heit erhöht, weil bspw. die Kündigungsschutzbestimmungen bei unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit gemäss Art. 336c OR (Krankheit etc.) bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag nicht zur Anwendung kommen (BGE 118 II 58) oder weil die Gefahr, dass eine Kündigung nachträglich als missbräuchlich qualifiziert wird, a priori ausgeschlossen ist. Häufig wird ausserdem bei Arbeitgeberkündigungen dem Mitarbeitenden die Möglichkeit geboten, durch Unterzeichnung einer Aufhebungsvereinbarung den Wortlaut des Arbeitszeugnisses positiv zu beeinflussen: «In gegenseitigem Einvernehmen» klingt besser als «mussten wir uns von ihr trennen».

VORAUSSETZUNGEN UND RISIKEN DER EINVERNEHMLICHEN AUFLÖSUNG

Grundsätzlich kann jeder Arbeitsvertrag einvernehmlich aufgelöst werden. Vorausgesetzt, die Regelungen des Arbeitsvertrages verlangen keine Schriftlichkeit, kann dies auch mündlich oder sogar konkludent erfolgen. Aus Beweisgründen ist aber ohnehin Schriftlichkeit zu empfehlen. Dies gilt schon deshalb, weil das Bundesgericht in konstanter Praxis Aufhebungsvereinbarungen gegenüber ein gewisses Misstrauen hegt. Dies ist unter anderem begründet mit dem Verzichtsverbot gemäss Art. 341 Abs. 1 OR. Dieses gibt vor, dass die oder der Mitarbeitende während der Dauer des Arbeitsverhältnisses und bis einen Monat nach dessen Beendigung nicht auf Forderungen verzichten kann, die sich aus zwingenden Vorschriften des Gesetzes ergeben. Unterzeichnet ein Mitarbeitender eine Aufhebungsvereinbarung, verzichtet er damit bspw. auf den erwähnten zeitlichen Kündigungsschutz gemäss Art. 336c OR, wonach sich die Kündigungsfrist im Rahmen einer Arbeitgeberkündigung um mindestens die Krankheitstage verlängert. Auch allfällige Lohnfortzahlungen des Arbeitgebenden für diese Verlängerungszeit fallen diesfalls weg (Art. 324a OR) und es wird die Mindestkündigungsfrist von einem Monat gemäss Art. 335c Abs. 2 OR durch eine Aufhebungsvereinbarung allenfalls tangiert.

Immerhin gilt das Verzichtsverbot nur für Forderungen, welche im Zeitpunkt des Verzichts bereits entstanden sind. Zukünftige Forderungen werden somit nicht geschützt. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Aufhebungsvereinbarung muss deshalb geklärt werden, ob der Mitarbeitende damit auf bereits entstandene zwingende Ansprüche verzichtet oder ob Ansprüche betroffen sind, die erst in Zukunft entstehen könnten. Bereits entstandene Ansprüche aus bspw. Mehrarbeitsentschädigungen oder nicht bezogenen Ferien sind korrekt abzugelten bzw. dem Mitarbeitenden eine entsprechende Entschädigung dafür auszurichten.

AUFLÖSUNG AUF WUNSCH DES MITARBEITENDEN

Dessen ungeachtet ist gemäss Bundesgericht bei der einvernehmlichen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses darauf zu achten, dass dadurch keine einseitige Übervorteilung des Mitarbeitenden droht. Unkritisch dürfte dies dort sein, wo dieser selbst ein vitales Interesse an der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses hat und bspw. eine vorzeitige Auflösung wünscht, damit er eine neue Arbeitsstelle vor Ablauf der Kündigungsfrist antreten kann. Immerhin ist aber bei der Redaktion von Aufhebungsvereinbarungen stets anzustreben, dass beide Parteien Zugeständnisse machen und auf Rechte verzichten. Eine Auflösung vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist im Interesse und auf Initiative des Mitarbeitenden ist wohl dann geschützt, wenn gleichzeitig auf Lohn und auf Arbeit verzichtet wird.

Hat der Mitarbeitende keine neue Anstellung in Aussicht, muss im Auge behalten werden, dass die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses seitens der Arbeitslosenkasse als durch den Mitarbeitenden selbstverschuldeten Verlust der Arbeitsstelle qualifiziert wird. Dies führt in der Regel zu Einstelltagen in den Arbeitslosentaggeldern. Ist dies dem Mitarbeitenden bei Abschluss der Vereinbarung nicht bewusst, kann dies zu deren Ungültigkeit führen. Die Arbeitgebenden sind deshalb gut beraten, die Interessen der Mitarbeitenden von sich aus zu berücksichtigen.

AUFLÖSUNG AUF WUNSCH DES ARBEITGEBENDEN

Wird die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses seitens des Arbeitgebenden initiiert, sollte besonders darauf geachtet werden, eine die Interessenlage beider Seiten berücksichtigende Lösung zu suchen, bei welcher beide Parteien auf Ansprüche von ungefähr gleichem Wert verzichten. Dabei kann es sich auch um Ansprüche handeln, die im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses unsicher sind (BGE 8C_94/2020 vom 9. Juli 2020). Es darf jedoch nicht der Eindruck entstehen, der Arbeitgebende wolle mit der Aufhebungsvereinbarung den zwingenden Kündigungsschutz des Mitarbeitenden gemäss Art. 336 ff. OR umgehen oder ihn anderweitig übervorteilen. Erreicht wird dies in der Regel durch eine grosszügige Abgeltung zu Gunsten des Mitarbeitenden, indem er bspw. bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist (und damit bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses) freigestellt oder ihm bei sofortiger Auflösung trotzdem ein der Kündigungsfrist entsprechender Lohn ausbezahlt wird. Um die Gültigkeit einer Aufhebungsvereinbarung nicht zu gefährden, sollte dem Mitarbeitenden schliesslich genügend Bedenkzeit eingeräumt werden. Zu vermeiden sind Situationen, in welchen der Mitarbeitende unter Zeitdruck zur Unterzeichnung einer Aufhebungsvereinbarung gedrängt wird.

FAZIT UND TO DO

Eine Aufhebungsvereinbarung im Arbeitsrecht birgt Tücken, welche nur im Einzelfall und unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmenden abgefedert werden können. Bei der Redaktion sollten folgende Grundsätze berücksichtigt werden:

➔ Schriftlichkeit;

➔ Genügend Bedenkzeit einräumen;

➔ Die Interessenlage insbesondere des Mitarbeitenden einzelfallgerecht berücksichtigen;

➔ In der Vergangenheit entstandene Ansprüche des Mitarbeitenden korrekt abgelten;

➔ Umgehungen von gesetzlichen Schutzmechanismen (bspw. Kündigungsschutz) vermeiden bzw. durch finanzielle Abgeltungen ausgleichen.

Gerne stehen wir Ihnen in arbeitsrechtlichen Trennungssituationen an einem unserer Standorte beratend zur Verfügung.

Herzlichen Dank für Ihr Vertrauen.
Ihr Sartorial-Team
Arbon, St.Gallen, Weinfelden, Wil, Winterthur

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